Sechs Jahre sind vergangen, seit Edward Snowden die Welt detailreich darüber aufklärte, in welchem Ausmaß staatliche Stellen heute in die Privatsphäre aller Menschen eindringen und sie verletzen. Nun erzählt Snowden seine Geschichte.

   Buchcover - Snowden, Edward: Permanent Record

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Edward Snowden - Permanent Record

Im Mai 2013 brach Edward Snowden mit seinen Auftraggebern bei den amerikanischen Geheimdiensten CIA und NSA, für die er zuvor jahrelang tätig gewesen war. Mit Gigabytes an mehrfach verschlüsselten geheimen Dokumenten im Gepäck tauchte Snowden unter. Bei seinem Arbeitsplatz, einer NSA-Stelle auf Hawaii, meldete er sich krank. Seiner völlig ahnungslosen Freundin hinterließ er eine Nachricht über einen angeblichen unplanmäßigen auswärtigen Einsatz. Snowden war weg.

Einige Tage später betrat er in einem Interview aus einem Hotelzimmer in Hongkong die Bühne der Weltöffentlichkeit und erläuterte erstmals seine Enthüllungen und Beweggründe.

In seinem Buch blickt Snowden auf eine Zeit zurück, in der er sich als technikbegeisterter und patriotisch gesinnter Jugendlicher veranlasst sah, seine Fähigkeiten in den Dienst der amerikanischen Nation zu stellen. Diese befand sich in dieser Zeit nach dem 11. September 2001 im “Krieg gegen den Terror”. Selbst vor Auslandseinsätzen in gefährlichen Weltgegenden hätte Snowden nicht zurückgeschreckt. Er landete allerdings zunächst im friedlichen Genf, kam dort aber bald mit zentralen IT-Bereichen der Geheimdienste CIA und NSA in Berührung. Schließlich übernahm er selbst immer wichtigere Rollen bei der Weiterentwicklung der Systeme.

Wir können Snowden dabei beobachten, wie seine Kenntnisse von der Massenüberwachung so weit wachsen, dass tiefere Zweifel zu der Erkenntnis führen: Geheimdienste verstoßen offenbar massiv und routinemäßig gegen die Grundsätze der Verfassung der USA. Die Details lassen den Leser erschaudern.

Schließlich reifte der Entschluss, die Öffentlichkeit durch bewussten Geheimnisverrat über die systematische Massenüberwachung zu informieren - mit allen zu erwartenden Konsequenzen. All dies machte Snowden in einem quälenden Prozess offenbar nur mit sich selbst aus. Einschließlich seiner langjährigen Freundin wusste niemand in seinem Umfeld, was mit dem immer mürrischer werdenden jungen Mann los war.

Sechs Jahre später darf man sich fragen, was das alles gebracht hat. Die Systeme sind noch mächtiger und datenhungriger geworden, die Menschen stellen ihr Innerstes weiterhin bereitwillig selbst ins Netz, und Sprüche wie “Mich geht das nichts an” und “Ich hab nichts zu verbergen” lassen sich nicht totkriegen.

Und Snowden sitzt in Moskau fest, dauerhaftes Asyl woanders ist nicht in Sicht. Mit Infos zu seinem derzeitigen Leben in Russland geizt Snowden leider etwas. Es erinnert an seine eigenen Schilderungen seiner CIA-Zeit in Genf, in der er in Smalltalkrunden nur erwähnen musste, dass er “im IT-Bereich” tätig sei. Weitere Nachfragen zu dieser offenbar langweiligen Tätigkeit folgten dann nicht… fraglich, ob das auch heute beim IT-Helden Snowden noch funktioniert?

Lesenswert ist Snowdens Buch allemal! starstarstarstarstar

Dave Eggers - Der Circle

   Buchcover - Eggers, Dave: Der Circle

local_library Eggers, Dave: Der Circle

Auch im Roman “Der Circle” von Dave Eggers geht es um den gläsernen Menschen. Hier allerdings um denjenigen, der sich seiner Privatsphäre freiwillig entledigt. Also mehr oder weniger um uns alle, die wir uns täglich und selbstverständlich im Netz bewegen, dort unsere Fotos und Erlebnisse “teilen”, nützliche Apps zum Verfolgen unserer sportlicher Aktivitäten nutzen oder ab und zu mal auf den “Like”-Knopf drücken.

In Eggers’ Roman wird das fiktive IT-Unternehmen “Circle” binnen kürzester Zeit zum beherrschenden Internet-Giganten, nachdem es mit einer Innnovation das Internet revolutioniert hat: Die Tools des Circle bündeln alle Online-Aktivitäten in einem einzigen Konto, ob man nun einkauft, soziale Netwerke nutzt oder Bewertungen abgibt. Für den User geht’s kaum bequemer, und alle Anbieter von Internet-Diensten steigen auf den Circle um, durch den sie Zugang zu bisher ungeahnten Informationen über ihre Kunden erhalten.

Mit der Anonymität im Netz ist es damit natürlich vorbei. Doch mit dem Aufstieg des Circles wird der bisher raue Umgangston in den sozialen Netzwerken und den Kommentarspalten der Zeitungs-Websites mit einem Mal ungewohnt freundlich. Denn jede Aussage dort ist nun unweigerlich mit dem eigenen Klarnamen verbunden. Spontane Äußerungen überlegt man sich lieber ein zweites Mal…

“Win-win” für alle also? Ist das Netz dank dem Circle endlich seinen Flegeljahren entwachsen?

Dies herauszufinden ist in diesem Roman Aufgabe der Jungakademikerin Mae Holland. Enttäuscht von einem erstem Job in einem verstaubten Old-Economy-Büro ergattert sie mit etwas Glück und Beziehungen endlich eine begehrte Stelle in der “Customer Experience”-Abteilung des Circles. Fasziniert betritt sie eine neue Welt, denn hier geht es nicht einfach um einen 9-to-5-Job: der Circle bemüht sich offenbar vorbildlich um die Gesundheit seiner Mitarbeiter, ständig finden auf dem Firmen-Campus Partys und interessante Verantstaltungen statt, die Circler engagieren sich in vielen vernetzten Initiativen fürs Gemeinwohl. Ja, dies wirkt wirklich wie ein Modell einer neuen, besseren Welt.

Allerdings steht all diesen großzügigen Angeboten des Circle auch eine Erwartung gegenüber, wie Mae bald erfahren wird…

Während sich die Situation immer weiter zuspitzt, möchte man der manchmal etwas naiv wirkenden Mae zurufen “Wann kapierst Du’s endlich???”. Doch vielleicht könnte der Leser dabei bemerken, dass diese Frage eigentlich an uns alle gerichtet ist…

Ein verstörender, dystopischer und dabei flüssig zu lesender Roman, der uns über das rechte Maß von Transparenz und Privatsphäre nachdenken lässt.

Empfehlenswert! starstarstarstarstar